Napoleons Memoiren

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  • Sans-Gêne
    Benutzer
    Fourrier
    • 06.10.2010
    • 93

    #16
    Napoleon schrieb hier:
    "Bernadotte hätte sicherlich von Dornburg aus seinen Fehler wiedergutmachen können [Anm.: den angeblich falschen Weg über Dornburg genommen zu haben], indem er der preußischen Armee in den Rücken fiel, er machte aber nur Parademanöver und gab nicht einen Schuss ab. Generalte, Offiziere und Soldaten waren aufs höchste empört. Der Marschall hätte von Rechts wegen erschossen werden sollen; es hat dem Kaiser später leid getan, dass er ihn auf Fürsprache Berthiers, an den er sich weinend gewandt hatte, mit einer kurzen Ungnaden davonkommen ließ. ... Er hat niemals ein wichtiges Kommando gehabt, niemals eine Schlacht gewonnen, ..."

    Hier handelt es sich - so auch Prof. Findeisen, Uni Jena, - um eine absolute Lüge Napoleons. Der Grund ist simpel der, das Napoleon in seinen Memoiren versucht zu erklären, warum Davout alleine bei Auerstedt auf die Preußen stieß, und hier Bernadotte die Schuld gibt. 1806 tat er das - und auch das nur vorgeschoben - latent. Nette, freundliche, aber bestimmte Briefe Berthiers und Napoleons belegen das. Die Befehlslage (aus dem Foucart) und gewisse nachvollziehbare Umstände (der vorhandene Anstieg bei Dornburg bzw. die Memoiren General Duponts, die davon berichten und diesen Anstieg auch Alpenähnlich beschreiben, wie Bernadotte es in seinen Antworten ans Hauptquartier (Foucart) tat.) lassen belegen, dass Bernadotte hier unschuldig ist und von Napoleon zum Sündenbock gemacht wurde. Natürlich ohne Erschießungskommando. Es lässt sich auch beweisen, dass Bernadotte und Berthier sich nicht begegnet sind, wo Bernadotte sich ja "weinend" dran gewandt haben soll.
    In seinen Memoiren allerdings - mit seinem Frust über Bernadotte - kommt bei Napoleon dann diese Geschicht heraus.
    Lese ich das richtig?
    Bernadotte versuchte seine (wenigstens) Unentschlossenheit bei Auerstedt, gegenüber Napoleon mit einem "alpenähnlichen" Anstieg bei Dornburg zu rechtfertigen und ein Professor Findeisen aus Jena sieht dieses "alpenähnliche Terrain" als "Bestätigung einer Lüge" in Napoleons Memoiren?

    Also zum einen ist die Rechtfertigung Bernadottes sicher keine Erschießung wert, obwohl Bernadotte durch sein Verhalten mit Sicherheit Davouts Truppen eine enorme Entlastung und weniger Verluste gebracht hätte, wäre Bernadotte entschlossener gewesen.
    Dass Davout die Situation doch gemeistert hat, ist allein seinem militärischen Genie anzurechnen, dass Napoleon zwar nur verzögert, aber dann um so beständiger anerkannte.
    Was die Rechtfertigung Bernadottes anbelangt, (und die unglaubliche Unkenntnis eines Jenaer Profs über die geographischen Gegebenheiten bei Dornburg), so ist diese (wenigstens) zum Schmunzeln, denn wenn diese Anstiege bei Dornburg "alpenähnlich" gewesen sein sollen, dann müssen die Alpen vor 200 Jahren entweder noch im Wachstum begriffen oder die Dornburger Höhen in den letzten 200 Jahren enorm geschrumpft sein.
    Denn (für Auswärtige) die Landschaft bei Dornburg an der Saale ist in ihrer geographischen Beschaffenheit nichts weniger als mit etwa der Landschaft in Mainfranken, der Mosel oder am Rhein zu vergleichen.
    Denn die hier durch den Weinbau kultivierten Hänge des Saale - Unstrut - Gebietes, sind für diesen seit mindestens 800 Jahren erschlossen und damals schon von Weißenfels her, ebenso seit Jahrhunderten an ein ausgebautes Verkehrsnetz z.B. an die Via Regia nach Osten und Westen und an die Alte Salzstraße nach Norden und Süden angeschlossen.
    In der Formulierung Bernadottes zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit bei Auerstedt, liegt also mindestens eine offensichtlich unglaubwürdige Übertreibung.

    Dies nun als "überführenden Beweis" einer Lüge in Napoleons Memoiren zu sehen, ist ebenso untauglich, wie der Begriff "Lüge" einem Historiker unwürdig ist, es sei denn, der "Lügner" ist überführt oder sonst irgendwie geständig, mit unbedingtem Vorsatz (also mit Wissen und Wollen) die Unwahrheit gesagt zu haben und der Historiker kann das nachweisen.

    Da ein Historiker jedoch ausschließlich Geschichte zu erforschen und darzustellen hat (und nicht zu urteilen und zu beschuldigen), spricht Friedrich M. Kircheisen in seinen Kommentaren zu den Überarbeitungen der Memoiren Napoleon I. (*1) von Irrtümern, denen die zitierten Protagonisten der Handlungen unterliegen, wenn sie eine Situation so beschreiben, wie sie sich im Vergleich zu Sekundärliteratur von Zeitzeugen, wahrscheinlich so nicht zugetragen haben kann.

    Spricht aber jemand als Historiker von Lügen, ohne dies wirklich beweisen zu können, erweist sich schnell, was das Motiv ist, das derjenige im Schilde führt: seinen eigenen Namen auf Kosten der Wahrheit über eine Person der Zeitgeschichte zu erhöhen.

    Sollte daher Herr Findeisen tatsächlich das Wort "Lüge" benutzt haben in o.a. Zusammenhang, dann: Nachsitzen Herr Professor!
    Und zwar am Besten mittels einer interessanten Reise durch das schöne Saale - Unstrut - Gebiet mit seinen vortrefflichen Weinen. So findet man dann vielleicht heraus, was Bernadotte (als Gourmet) wahrscheinlich trieb, während der Schlacht von Auerstedt.

    Insofern,
    mit herzlicher Empfehlung

    Sans-Gêne

    (*1) "Napoleon Die Memoiren seines Lebens", in neuer Bearbeitung herausgegeben von Friedrich - Wencker - Wildberg in Verbindung mit Friedrich M. Kircheisen, Gutenberg-Verlag Christensen & Co. Wien Hamburg Zürich, 1930/31
    Zuletzt geändert von Sans-Gêne; 11.01.2011, 17:56.

    Kommentar

    • Sabby89
      Neuer Benutzer
      Soldat
      • 02.05.2010
      • 15

      #17
      Hallo ihr,

      ich weiß, ich habe mich lange nicht gemeldet, aber jetzt gibt es einen triftigen Grund. Und zwar werde ich im Juli/ August meine Masterarbeit beginnen und das Thema meiner MA Arbeit werden die Memoiren von Napoleon sein. Genauer gesagt:
      Quellenkritik des Memorials de Saint-Hélène - Die Memoiren Napoleon Bonapartes im Spiegel seiner Zeit, mit der Spezialisierung der Doppelschlacht um Jena/Auerstedt 1806.

      Der Titel ist vorläufig, ergo kann sich noch ändern. Ich hab vor, folgendermaßen vorzugehen: Ein paar einleitende Worte über die Memorial zu verlieren, nicht viele, da es ja nur den groben Rahmen umfasst. Danach: Wie gingen die Zeitgenossen damit um, als ab 1823 die Memoiren veröffentlicht wurden? Wie Montholon, Las Casas etc. in ihren Erinnerungen? Sahen sie es kritisch, wenn ja, warum, wenn nicht, warum verbleibt die Bewunderung auch nach dem Tode Napoleons? Wie sahen es die "Medien?" Sowas wie die Times oder andere vergleichsbare Zeitungen?

      Und später im Bonapartismus: Warum genau wurden die Memoiren sowas wie eine "zweite Bibel", obwohl die wussten, was schief lief. Irgendwie sowas.

      Zu meinem Unterthema Jena/Auerstedt: Hier im Forum ist -wie ich sah - schon viel darüber geschrieben worden und wenn ihr nichts dagegen habt, werde ic
      h das Thema allgemein quasi ausarbeiten und als MA Thema verwenden. Ich hab sogar - darauf bin ich stolz - den Foucart, Chandler etc. organisiert. All die tollen Autoren, die ich dann in ihrer Argumentation kritisch hinterfragen werde. (Obwohl ich genau genommen, den Foucart wohl kaum hinterfragen kann^^) Genauso wie die Bernadotte-Sache mit Findeisen, Girod de L'ain (wenn der jetzt falsch geschrieben worden ist, sorry). Mein Hauptziel ist es, die Darstellungen/Untersuchungen der "neueren" Autoren mit den zwei "Hauptquellen" Foucart und Napoleon selbst zu vergleichen und daraus Schlüsse ziehen, welche Quellenproblematiken dahinter stecken und welches Gesamtbild der Jena/Auerstedt Doppelschlacht sich daraus ergibt.

      Klingt nach viel Arbeit - ist es auch. Ein paar Quellen/Sekundärliteratur/ Hilfsmittel habe ich schon, bzw. werde ich in den nächsten Tagen/ Wochen erhalten.
      Nachdem ich jetzt so viel Text geschrieben habe, meine Frage an euch. Habt ihr eine Idee, wie ich noch besser vorgehen könnte, welche Fallstricke mich erwarten könnten etc.

      Ich würde mich sehr über Antwort freuen.
      LG Sabrina

      Kommentar

      • Irene Hartlmayr
        Erfahrener Benutzer
        Capitaine
        • 22.02.2013
        • 596

        #18
        Memoiren

        To whom it may concern.
        Ganz Allgemein:
        Wie schon erwähnt:Seine eigenen ,diktierten Memoiren beschränken sich auf
        1Den ersten italienischen Feldzug
        2Den ägyptischen Feldzug
        3Elba und die Hundert Tage
        4Waterloo.

        Dazu die Korrespondenz:die wird in neuer und kompletter Auflage seit einigen
        Jahren ,kommentiert,in Frankreich herausgegeben.Die einzelnen Bände sind u.a. auch bei Amazon erhältlich.

        Wie auch von Tom erwähnt:die sämtlichen Zeugenaussagen,sie sich auszugsweise in F.Wencker-Wildberg befinden ,( "N . Die Memoiren seines Lebens" ),
        sind anerkannte Quellen.Tom hat sie erwähnt.

        Inwieweit das "Memorial de Ste.Helene" von Las Cases ( unzählige Auflagen in
        Frankreich ,u.a. auch als Taschenbuch) jetzt als Memoiren oder als Propaganda oder als (teilweise )Fabrikation von Las Cases zu betrachten sind,darüber streiten sich die Historiker seit 200 Jahren.

        IRENE.

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