Napoleon und Indien

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  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    Napoleon und Indien

    Ich weiß, das ist ein umstrittenes Thema. Hatte Napoleon vor, nach Indien zu marschieren? Quellen dafür gibt es. Gespräche darüber gab es bereits mit Paul I. Auf dem Meer hatte Napoleon keine Chancen gegen England. Blieb also nur der Krieg auf dem Landweg um Englands Handelswege zu stören. Die drei Ziele Napoleons dabei waren Nordafrika (Baumwolle), das Osmanische Reich (Tee, Gewürze, Seide, etc.) und Indien, aus den selben Gründen.
  • Marie
    Erfahrener Benutzer
    Sergent-Major
    • 27.04.2011
    • 196

    #2
    Hi!
    Soweit ich weiß, war der Plan England über Indien anzugreifen. Ich meine mich zu erinnern, dass die Idee von Tayllerand stammte? Außerdem hatte Napoleon nach seiner Rückkehr aus Italien den Oberfehl für die England Invasion bekommen und war auch wenige Wochen an der Küste um sich da alles anzuschauen, mit dem von dir genannten Ergebnis. Dass das ein umstrittenes Thema sein soll, ist mir neu. Ich ging immer davon aus, dass das der Sinn der ganzen Ägypten-Episode war. Da ich gerade erst aus Paris zurück bin, brauche ich noch ein Paar Tage, aber wenn du interessiert bist, such ich die Stellen raus.
    LG Marie
    Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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    • muheijo
      Erfahrener Benutzer
      Capitaine
      • 01.10.2006
      • 553

      #3
      Napoleon hatte die Bedeutung von Indien fuer England erkannt. In der Tat "træumte" N von Indien wæhrend des Ægypten Feldzuges - oder er hat es spæter zumindest so dargestellt.
      Aber auch nachdem die direkte Landung auf die engl. Insel 1805 auf den St.Nimmerleinstag verschoben werden musste, war Indien nicht vom Tisch:
      Es gab Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich ueber Durchmarschrechte, und es war øfter Verhandlungsgegenstand mit dem Zaren Alexander.

      Talleyrand hatte damit høchstens zu tun, indem er es dem Zaren weitervermittelte/vermitteln sollte - da wissen sicher die Talleyrand-Spezialisten mehr dazu. Ich vermute ganz stark, dass er (aktiv?) dagegen war.

      NICHT geplant war hingegen, nach der Einnahme Moskaus weiter nach Indien zu marschieren. Das ist zwar bisweilen behauptet, jedoch weder nachgewiesen noch sinnig, weil der Russlandfeldzug vøllig anders geplant war.

      Gruss, muheijo

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      • Marie
        Erfahrener Benutzer
        Sergent-Major
        • 27.04.2011
        • 196

        #4
        Ich glaube schon, dass Tayllerand beim Ägyptenfeldzug 1798/99 seine Finger im Spiel hatte. Napoleon und er standen schon seit Italien im Briefwechsel und haben sich danach ja auch getroffen.
        Tayllerand hatte bereits im Juli 1797 eine Rede gehalten in der er riet sich von Amerika ab- und Ägypten und Marokko zuzuwenden (es ging da um wirschaftliche Beziehungen). Er verlangte auch, die Länder nicht auszubeuten, sondern friedlich zusammen zu arbeiten.
        Ganz ähnliches liest man auch in Napoleons ersten Proklamtionen in Ägypten.
        Nach 1805 hab' ich keine Ahnung, wie er dazu stand. Wäre aber interessant.
        Gruß Marie
        Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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        • excideuil
          Erfahrener Benutzer
          Sergent-Major
          • 24.09.2009
          • 207

          #5
          Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
          Napoleon hatte die Bedeutung von Indien fuer England erkannt. In der Tat "træumte" N von Indien wæhrend des Ægypten Feldzuges - oder er hat es spæter zumindest so dargestellt.
          Aber auch nachdem die direkte Landung auf die engl. Insel 1805 auf den St.Nimmerleinstag verschoben werden musste, war Indien nicht vom Tisch:
          Es gab Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich ueber Durchmarschrechte, und es war øfter Verhandlungsgegenstand mit dem Zaren Alexander.

          Talleyrand hatte damit høchstens zu tun, indem er es dem Zaren weitervermittelte/vermitteln sollte - da wissen sicher die Talleyrand-Spezialisten mehr dazu. Ich vermute ganz stark, dass er (aktiv?) dagegen war.

          NICHT geplant war hingegen, nach der Einnahme Moskaus weiter nach Indien zu marschieren. Das ist zwar bisweilen behauptet, jedoch weder nachgewiesen noch sinnig, weil der Russlandfeldzug vøllig anders geplant war.

          Gruss, muheijo

          Zitat von Marie Beitrag anzeigen
          Ich glaube schon, dass Tayllerand beim Ägyptenfeldzug 1798/99 seine Finger im Spiel hatte. Napoleon und er standen schon seit Italien im Briefwechsel und haben sich danach ja auch getroffen.
          Tayllerand hatte bereits im Juli 1797 eine Rede gehalten in der er riet sich von Amerika ab- und Ägypten und Marokko zuzuwenden (es ging da um wirschaftliche Beziehungen). Er verlangte auch, die Länder nicht auszubeuten, sondern friedlich zusammen zu arbeiten.
          Ganz ähnliches liest man auch in Napoleons ersten Proklamtionen in Ägypten.
          Nach 1805 hab' ich keine Ahnung, wie er dazu stand. Wäre aber interessant.
          Gruß Marie
          In der Tat, Talleyrand hat vor dem Nationalinstitut zwei Reden gehalten. Eine, die Handesbeziehungen Amerikas und Englands betreffend, in der er nachwies, dass es für eine dritte Macht schwierig sein würde, sich dort hineinzudrängen, (Sprache, produktive Überlegenheit Englands, traditionelle Einstellungen der Amerikaner ...), und eine zweite, die den Erwerb neuer Kolonien betraf, in der er den Vorteil, näher an Frankreich liegender Länder beschrieb.
          Richtig ist auch, dass er das herrschende Chaos in bestehenden Kolonien durch geeignete Maßnahmen in Ruhe und Ordnung verwandelt sehen wollte.

          Natürlich hatte Talleyrand etwas mit dem Ägyptenfeldzug zu tun, schließlich war er zu der Zeit Außenminister der französischen Republik und natürlich gab es zwischen ihm und Bonaparte Beziehungen seit Italien, aus demselben Grund.
          Damit verlassen wir aber die vornapoleonische Zeit, denn es geht um Indien.

          Von Talleyrand wissen wir, dass er Frankreich in den "natürlichen Grenzen" als satuiert ansah, er sich nach Tilsit aus der Außenpolitik zurückzog. Folgt man seinen Memoiren, war Indien für N. ein wichtiges Thema: er spricht vor Erfurt von seinem "lang geplanten Feldzug".
          Erfurt lag nach seinem Rücktritt, besser seiner Abkehr von der napoleonischen Politik. Warum sollte er einen Zug nach Indien angesichtst der vielen ungelösten Probleme in Europa gutheißen? Warum sollte er den Zaren in die Planspiele N. laufen lassen?

          Grüße
          excideuil

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          • KDF10
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 19.12.2010
            • 1278

            #6
            Zitat von muheijo Beitrag anzeigen
            NICHT geplant war hingegen, nach der Einnahme Moskaus weiter nach Indien zu marschieren. Das ist zwar bisweilen behauptet, jedoch weder nachgewiesen noch sinnig, weil der Russlandfeldzug vøllig anders geplant war.

            Gruss, muheijo
            Da stimme ich dir zu. Indien spielte da eine sekundäre Rolle. Nach meiner Überzeugung, wir können gerne darüber diskutieren, war das Primärziel das Osmanische Reich. Napoleon wollte Konstantinopel und Alexander I. auch. Ich halte nicht viel von Napoleon, aber dumm war er ganz sicher nicht. Hätte Russland 1812 eine Niederlage erlitten, wäre der nächste Schritt ein Krieg gegen das Osmanische Reich gewesen. Napoleon hätte Konstantinopel erhalten, dass das eines seiner Ziele war, ist bekannt. Der Handel zwischen England und dem Osmanischen Reich wäre damit zusammengebrochen. Napoleons Target war England und das lebte vom Handel mit Übersee. Mit der Flotte des Osmanischen Reiches, der von Neapel und den Resten der französischen Flotte hätte Napoleon das Mittelmeer beherrschen können. Die logische Konsequenz ist ganz einfach. Russland, Frankreich und Truppen des Osmanischen Reiches marschieren nach Indien. Hätte das geklappt, hätte es England das Genick gebrochen. LG. KDF10

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            • Marie
              Erfahrener Benutzer
              Sergent-Major
              • 27.04.2011
              • 196

              #7
              Hätte Russland 1812 eine Niederlage erlitten, wäre der nächste Schritt ein Krieg gegen das Osmanische Reich gewesen. [...]Russland, Frankreich und Truppen des Osmanischen Reiches marschieren nach Indien
              .
              Aber auch nachdem die direkte Landung auf die engl. Insel 1805 auf den St.Nimmerleinstag verschoben werden musste, war Indien nicht vom Tisch:
              Es gab Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich ueber Durchmarschrechte, und es war øfter Verhandlungsgegenstand mit dem Zaren Alexander.
              Hat da jemand Quellenangaben oder sonst etwas brauchbares? Da ich mich gerade recht ausführlich mit einigen Aspekten des Ägyptenfeldzuges befasse (bei dem Indien ja zumindest eine vage Rolle spielte) würde mich interessieren, was es für zeitgenössische Quellen zu diesen späteren Plänen gibt. Danke, Gruß Marie
              Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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              • Mephisto
                Erfahrener Benutzer
                Capitaine
                • 01.10.2006
                • 625

                #8
                Vielleicht hilft das:

                Die deutsche Übersetzung findet sich u.a. im Fournier

                Gruß
                Mephisto
                Angehängte Dateien
                Gruß
                Mephisto

                "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

                Kommentar

                • Marie
                  Erfahrener Benutzer
                  Sergent-Major
                  • 27.04.2011
                  • 196

                  #9
                  Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
                  Vielleicht hilft das:
                  Die deutsche Übersetzung findet sich u.a. im Fournier
                  Gruß
                  Mephisto
                  Danke! Da muss ich doch glatt mal hier weitersuchen, denn den Band mit Briefen aus dieser Zeit habe ich hier auch irgendwo. Vielleicht findet sich da ja noch mehr. Gruß Marie
                  Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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                  • Tellensohn
                    Erfahrener Benutzer
                    Chef de Bataillon
                    • 16.02.2011
                    • 1253

                    #10
                    "Les Indes", nicht "L'Inde"

                    Wenn hier von "Indien" die Rede ist, dann ist ja hoffentlich nicht bloss der indische Subkontinent gemeint, oder? Das ergäbe nämlich keinen Sinn. Im von Mephisto geposteten Brief ist von "les Indes" die Rede. Das deckt einen weitaus grösseren Raum ab als bloss den indischen Subkontinent (franz. "l'Inde"). Die Rede ist also von "Ostindien", d.h. im Prinzip vom gesamten südasiatischen Raum von Madagaskar (man könnte sogar sagen: von der Kapkolonie) bis Java und darüberhinaus. Es ging um die Vorherrschaft in diesen Wirtschaftsraum, sowohl über die Produktionsgebiete als auch über die Verkehrswege. Der Krieg um diese Vorherrschaft wurde bis etwa 1812 ununterbrochen ausgefochten, vorwiegend mit den Mitteln des Seekriegs. In ihm mussten die Briten aufgrund ihrer maritimen Überlegenheit notwendigerweise Sieger bleiben: die französisch-niederländischen Besitzungen gerieten alle in britische Hände. Das war's dann. Mit einem Marsch über Land nach Indien - an die vielfältigen Hindernisse, die einem solchen Unterfangen in Wirklichkeit im Wege gestanden hätten, mag man gar nicht denken - hätte Napoleon selbst bei einer Eroberung Indiens und dem Ausschalten der dortigen englischen Häfen kaum viel erreicht, denn die über zahlreiche Inseln verstreuten wichtigen Stützpunkte in dieser Region hätte er ohne Vorherrschaft zur See niemals unter seine Kontrolle bringen können. Man darf m.E. auch getrost davon ausgehen, dass eine französische Armee in Indien innert kürzester Zeit von jedem Nachschub abgeschnitten worden wäre und sich aufgrund diverser Umstände wohl kaum lange hätte halten können. Die Briten hatten ja ihre Vorherrschaft über den Subkontinent auch nicht primär dank eigener Truppen und über den Landweg konsolidieren können, sondern weil sie über die Jahre ein ausgeklügeltes Beziehungs- und Bündnisgeflecht mit den indischen Fürsten aufgebaut hatten, die sie geschickt als mehrheitlich willige Stellvertreter ihrer Herrschaft einzusetzen bzw. gegeneinander auszuspielen wussten und denen sie dank ihrer schlagkräftigen Flotte, die es ihnen ermöglichte, jederzeit Nachschub an Truppen und überlegenen Waffen aus der Heimat heranzuschaffen, im Bedarfsfall den Drohfinger zeigen konnten.
                    Zuletzt geändert von Tellensohn; 01.06.2011, 12:47.

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                    • KDF10
                      Erfahrener Benutzer
                      Chef de Bataillon
                      • 19.12.2010
                      • 1278

                      #11
                      Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                      Wenn hier von "Indien" die Rede ist, dann ist ja hoffentlich nicht bloss der indische Subkontinent gemeint, oder? Das ergäbe nämlich keinen Sinn. Im von Mephisto geposteten Brief ist von "les Indes" die Rede. Das deckt einen weitaus grösseren Raum ab als bloss den indischen Subkontinent (franz. "l'Inde"). Die Rede ist also von "Ostindien", d.h. im Prinzip vom gesamten südasiatischen Raum von Madagaskar (man könnte sogar sagen: von der Kapkolonie) bis Java und darüberhinaus. Es ging um die Vorherrschaft in diesen Wirtschaftsraum, sowohl über die Produktionsgebiete als auch über die Verkehrswege. Der Krieg um diese Vorherrschaft wurde bis etwa 1812 ununterbrochen ausgefochten, vorwiegend mit den Mitteln des Seekriegs. In ihm mussten die Briten aufgrund ihrer maritimen Überlegenheit notwendigerweise Sieger bleiben: die französisch-niederländischen Besitzungen gerieten alle in britische Hände. Das war's dann. Mit einem Marsch über Land nach Indien - an die vielfältigen Hindernisse, die einem solchen Unterfangen in Wirklichkeit im Wege gestanden hätten, mag man gar nicht denken - hätte Napoleon selbst bei einer Eroberung Indiens und dem Ausschalten der dortigen englischen Häfen kaum viel erreicht, denn die über zahlreiche Inseln verstreuten wichtigen Stützpunkte in dieser Region hätte er ohne Vorherrschaft zur See niemals unter seine Kontrolle bringen können. Man darf m.E. auch getrost davon ausgehen, dass eine französische Armee in Indien innert kürzester Zeit von jedem Nachschub abgeschnitten worden wäre und sich aufgrund diverser Umstände wohl kaum lange hätte halten können. Die Briten hatten ja ihre Vorherrschaft über den Subkontinent auch nicht primär dank eigener Truppen und über den Landweg konsolidieren können, sondern weil sie über die Jahre ein ausgeklügeltes Beziehungs- und Bündnisgeflecht mit den indischen Fürsten aufgebaut hatten, die sie geschickt als mehrheitlich willige Stellvertreter ihrer Herrschaft einzusetzen bzw. gegeneinander auszuspielen wussten und denen sie dank ihrer schlagkräftigen Flotte, die es ihnen ermöglichte, jederzeit Nachschub an Truppen und überlegenen Waffen aus der Heimat heranzuschaffen, im Bedarfsfall den Drohfinger zeigen konnten.
                      Es geht mir nicht um eine französische Armee in Indien. Die wäre schon allein aufgrund der Marschverluste in Indien chancenlos, selbst wenn man die Rheinbundstaaten einbezieht, da gibt es durchaus Berichte, dass das Ziel Indien sei. Es geht um folgendes Szenario: Napoleon schlägt Russland. Step 2: Napoleon und Russland schlagen gemeinsam das Osmanische Reich. Step 3: Russland, Napoleon und das Osmanische Reich greifen England in Indien an.

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                      • Mephisto
                        Erfahrener Benutzer
                        Capitaine
                        • 01.10.2006
                        • 625

                        #12
                        Hallo Tellensohn,

                        Ich glaube, ich sehe, worauf Du hinaus willst, und ich denke, die Antwort muss lauten „sowohl als auch“.
                        Kolonialpolitik der Realpolitik - Eroberungsgedanken der Phantasie Napoleons geschuldet

                        Ich denke tatsächlich, letzterer Gedanke, der Gedanke an einen Marsch nach Indien hat Napoleon Zeit seines Lebens begleitet.
                        Und ich halte ihn nicht für absurd.

                        Nehmen wir 1799 die Korrespondenz mit Tipoo Sahib.
                        Sicherlich sehr hochtrabend – doch was hatte das kleine französische Häuflein nicht schon alles ertragen und geleistet!?!
                        Du sprichst von einem ausgeklügelten Beziehungs- und Bündnisgeflecht mit den indischen Fürsten. Wie fragil dieses war, haben der Aufstand 1799 als auch die späteren Aufstände der 1840er Jahre gezeigt. Die Herrschaft der Briten in Indien war nicht gottgegeben und auch nicht unerschütterlich. Der/die richtigen Männer an der Spitze, eine Vision und eine Horde von Zufällen. Willst Du die Möglichkeit eines Erfolges mit Sicherheit ausschließen?
                        Ohne Mut, viel Phantasie und ebensoviel Glück wären auch ein Alexander (und viele andere) nicht weit gekommen.

                        Der Auftrag an Decaen 1803 hingegen war rein kolonialer Politik geschuldet und hatte keine geplante Invasion in Nebengedanken. Da sehe ich das zweite (aggressive) realpolitische Standbein (und das in Friedenszeiten!).

                        1807 hatten Abgeordnete des Schahs in Schloss Finckenstein den Kaiser besucht und einen Vertrag gegen den Zaren geschlossen.
                        Artikel 12 lautet:
                        „Wenn der Kaiser der Franzosen zu Land eine Armee gegen die englischen Besitzungen in Indien senden wollte, so würde der Schah von Persien ihr freien Durchzug gewähren und in einer besonderen Konvention über deren Marschroute die Mittel zu ihrer Erhaltung und Beförderung und über die zu stellenden Hilfstruppen mit der französischen Regierung übereinkommen.“

                        Gardane wurde nach Teheran entsandt. Er und sein Stab sollten einen Vertrag zwischen der Pforte und dem Schah gegen Russland initiieren, und einen Weg nach Indien ausspionieren.
                        Darüber hinaus sollten mögliche Häfen für die Anlandung von Truppen und Material inn Persien geprüft werden. 12.000 Mann sollten vom Schah mit französichen Waffen ausgerüstet werden und nach Besiegung der Russen als Hilfskorps für den Einmarsch nach Indien dienen.
                        20.000 Franzosen waren für den Marsch vorgesehen. Gardanne sollte die Mahratta-Prinzen auf den Einmarsch vorbereiten und gegen England aufhetzen.
                        Gegen Ende 1807 dann berichtet Gardane dem Kaiser über den möglichen Weg von Syrien zum Ganges.
                        Er empfiehlt eine Route Bir-Mardin-Teheran-Herat-Cabul-Peshawar.
                        Tatsächlich würden 40-50.000 Franzosen plus 30-40.000 Perser gebraucht.

                        Der Krieg 1807 gegen Russland war mittlerweile beigelegt.

                        In dem Brief an den Kaiser nun spiegelt sich nmE die Mission Gardanes wieder im Verweis auf den
                        Article Huitieme des Vertrags von Tilsit.
                        Hier war die Pforte schon als Durchmarschstation reserviert worden.
                        Für mich ist das ein Zeichen der Kontinuität im Denken Napoleons.

                        Ich bin kein Spezi ,was die Kolonialpolitik anbelangt.
                        Meine Ausführungen habe ich zumeist zusammengesucht aus Fournier und Rose.

                        Quellen, die immer wieder auftauchen und die mich interessieren würden, wären:
                        Driault, « La Politique Orientale de Napoleon I. » sowie Roloffs Studie « Napoleons Plan eines Feldzuges nach Indien »
                        Zuletzt geändert von Mephisto; 01.06.2011, 23:41.
                        Gruß
                        Mephisto

                        "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                        nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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                        • Tellensohn
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 16.02.2011
                          • 1253

                          #13
                          Hallo Mephisto,

                          Napoleon hat einige Schnapsideen zu Papier gebracht. Von allen scheint mir diejenige, das britische Kolonialreich zerschlagen und damit das Fundament britischer Macht zerstören zu wollen, indem man nach Indien marschiert, die unausgereifteste. Ich kann Briefe wie den an Alexander nur einem besonderen euphorischen Zustand nach dem Tilsiter Frieden zuschreiben, oder vielleicht dem Genuss von zwei bis drei Flaschen zwölfjährigen Chambertins, oder dem Versuch, sich bei seinem neuen "Bruder", dessen "Freundschaft" er vielleicht nicht so sehr vertraute, anzubiedern, oder einfach nur der Absicht, mal dessen Meinung zu bestimmten Ideen abzuklopfen .Tatsächlich halte ich die Vorstellung Napoleons, man könne, so man nur mit den Persern eine entsprechende vertragliche Abmachung trifft, ungehindert nach Indien marschieren und dieses politisch, religiös und kulturell doch recht zersplitterte Land in kürzester Zeit erobern, auf jeden Fall für ein abstruses Hirngespinst.

                          Zunächst einmal hat Napoleon einfach nicht verstanden, dass eine schlagkräftige Kriegsmarine unabdingbare Voraussetzung für eine Besetzung Indiens gewesen wäre. Diese Marine hatte er nicht. Zwar liess er nach Trafalgar ein umfassendes Programm zur Erneuerung der französischen Kriegsmarine anlaufen, aber so schnell, wie er sich das ausmalte, konnte man eben keine guten neuen Schiffe bauen und die dann auch noch mit den erforderlichen Besatzungen versehen, von geeigneten Kommandeuren gar nicht zu reden. Man kann eben nicht einfach in die Wälder gehen, soviel Holz schlagen wie man für den Bau von so und so vielen Schiffen benötigt und ein Jahr später über drei oder vier einsatzbereite neue Geschwader verfügen. Ich bin kein Fachmann für Schiffsbau, aber meines Wissens muss Holz für diesen Zweck über lange Zeit (Jahre?) gelagert und getrocknet werden, ansonsten sich die Rümpfe verziehen und die Segeleigenschaften massiv beeinträchtigt werden. Viele noch in der Zeit des Kaiserreichs gebaute und fertiggestellte Schiffe mussten deshalb schon nach kurzer Zeit wieder abgewrackt werden. Andere hat man schon gar nicht fertiggestellt. Kommt dazu das Problem der ausreichenden Bemannung. Napoleon wäre gar nicht in der Lage gewesen, ausreichend Besatzungen aufzubieten, einerseits, weil schon viele Seeleute gefallen und noch mehr in Kriegsgefangenschaft geraten waren, andererseits, weil er selber die Marine immer wieder sabotierte, indem er Matrosen für die Armee und seine Feldzüge en masse "requirierte". An geeigneten Kommandeuren mangelte es sowieso.
                          Die Herrschaft der Briten über Indien war nicht gottgegeben, keine Frage, aber die Existenz einer schlagkräftigen britischen Marine hat zusammen mit geschickter britischer Diplomatie diese Herrschaft überhaupt erst ermöglicht. Das Meer bot den Briten den nötigen rückwärtigen Raum vor Ort, den sie dank ihrer Marine unangefochtenen unter ihrer Kontrolle hielten. Keine fremde Armee, keine einheimischen Fürsten konnten ihnen dieses Réduit streitig machen und sie von der Aussenwelt abschneiden. Umgekehrt konnten sie bei Bedarf ungehindert Nachschub an Truppen und Waffen heranbringen. Für eine über den Landweg nach Indien marschierende Armee hätte es diese Sicherheit nicht gegeben. Man müsste natürlich wissen, auf welcher Route sie dann letztendlich tatsächlich marschiert wäre, aber ein Bündnisvertrag mit den Persern allein hätte ein Gelingen des Unternehmens niemals garantiert. Wer sagt denn, dass die Perser sich an diesen Vertrag gehalten hätten? Es darf auch bezweifelt werden, dass der Schah wirklich die Kontrolle über all die Gebiete hatte, die er nominell für sich beanspruchte. Lokalen Widerstand aus welchen Gründen auch immer, hätte es auf der ganzen Wegstrecke immer wieder geben können, spätestens in Indien selber. Die Annahme, die dortigen Fürsten hätten sich freudig den Franzosen unterworfen, weil diese sie von den Briten "befreit" hätten, ist wohl etwas zu naiv. Manche Fürsten kooperierten eben ganz gerne mit den Briten, weil zu ihrem Vorteil. Tipoo Sultan war zwar ein mächtiger Fürst und knallharter Gegner der Briten (als Sahib, also "Kronprinz", war er schon zu Zeiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges mit den Franzosen gegen die Briten ins Feld gezogen), aber er war eben nicht der einzige Fürst in Indien, sondern hatte gerade auch wegen seiner besonderen Stellung so manchen weniger mächtigen Rivalen zum Feind. Es ist doch klar, dass die Briten bei einem Einmarsch der Franzosen alle Möglichkeiten ausgeschöpft hätten, ihnen gegenüber loyale Fürsten gegen die Invasoren zu mobilisieren. Und einen Tipoo Sultan brauchten sie ohnehin nicht mehr zu fürchten, den hatten sie ja 1799 erledigt. Ich bin tatsächlich der Meinung, dass eine Besetzung Indiens durch die Franzosen ein aussichtsloses Unterfangen gewesen wäre. Sie hätten keinen von ihnen allein kontrollierten rückwärtigen Raum gehabt, in den sie sich hätten in Sicherheit bringen können bzw. über den sie problemlos Nachschub hätten heranführen können. Die Briten, mit ihnen verbündete einheimische Fürsten, möglicherweise auch unabhängig operierende indische Gegner jeglicher Fremdherrschaft hätten den Franzosen das Leben zur Hölle gemacht. Und die Russen, Friedensvertrag hin oder her, hätten sich sicher auch nicht lange bitten lassen, wenn sie die Gelegenheit bekommen hätten, einen Beitrag zur Zerschlagung einer napoleonischen Indienarmee zu leisten.

                          Noch ein Wort zu Alexander dem Grossen. Es war ja vorhersehbar, dass dieser Mythos irgendwann mal bemüht werden würde. Ich muss sagen, der Mythos "Alexander" geht mir langsam auf den Geist. Tatsache ist doch, dass Alexander zwar einen rasanten und siegreichen Feldzug durch das Persische Reich und darüberhinaus unternommen und seine Gegner überall besiegt hatte, aber im wesentlichen blieben seine Siege doch ohne nachhaltige Wirkung auf Gesellschaft und Kultur der unterworfenen Völker. Die bestehenden lokalen Verhältnisse wurden unterm Strich nicht umgekrempelt. Das trifft im wesentlichen auch auf Indien unter britischer Vorrherrschaft zu, aber anders als die Briten und andere Europäer in Indien blieben die Makedonen nicht unter sich. Sie passten sich den Verhältnissen in den eroberten Gebieten an. Die Makedonen, an vordester Stelle Alexander selbst, und erst recht seine Nachfolger, hatten keine Chance (und auch nicht den Willen), aus Orientalen Hellenen zu machen, sie wurden im Gegenteil zu Orientalen. Sie wurden zu akzeptierten neuen Herrschern der unterworfenen Völker, weil sie sich den Gepflogenheiten der unterworfenen Völker unterwarfen. Sie heirateten einheimische Fürstentöchter, wurden dadurch zu legitimen Nachfolgern der vormaligen nichthellenistischen Herrscher, übernahmen das politische System, das Hofzeremoniell, das Tributwesen, und hinterliessen im Gegenzug nicht mehr als eine paar hellenistisch geprägte Kunstdenkmäler, Waffen und Kleiderformen. Anders gesagt: Die Makedonen konsolidierten ihre Herrschaft über eine andere Kultur, indem sie selber Teil dieser Kultur wurden. Ganz anders die europäischen Kolonialherren und Imperialisten, die sich immer eingebildet haben, etwas besseres zu sein, "Herrenmenschen" eben. Von daher bitte keine weiteren unhaltbaren Vergleiche mit Alexander dem Grossen (den ich persönlich übrigens für nicht so "Gross" halte). Man dankt.

                          Gruss, T.
                          Zuletzt geändert von Tellensohn; 02.06.2011, 12:33.

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                          • excideuil
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                            Sergent-Major
                            • 24.09.2009
                            • 207

                            #14
                            Zitat von Tellensohn Beitrag anzeigen
                            Napoleon hat einige Schnapsideen zu Papier gebracht. Von allen scheint mir diejenige, das britische Kolonialreich zerschlagen und damit das Fundament britischer Macht zerstören zu wollen, indem man nach Indien marschiert, die unausgereifteste. Ich kann Briefe wie den an Alexander nur einem besonderen euphorischen Zustand nach dem Tilsiter Frieden zuschreiben, oder vielleicht dem Genuss von zwei bis drei Flaschen zwölfjährigen Chambertins, oder dem Versuch, sich bei seinem neuen "Bruder", dessen "Freundschaft" er vielleicht nicht so sehr vertraute, anzubiedern, oder einfach nur der Absicht, mal dessen Meinung zu bestimmten Ideen abzuklopfen .Tatsächlich halte ich die Vorstellung Napoleons, man könne, so man nur mit den Persern eine entsprechende vertragliche Abmachung trifft, ungehindert nach Indien marschieren und dieses politisch, religiös und kulturell doch recht zersplitterte Land in kürzester Zeit erobern, auf jeden Fall für ein abstruses Hirngespinst.


                            Noch ein Wort zu Alexander dem Grossen. Es war ja vorhersehbar, dass dieser Mythos irgendwann mal bemüht werden würde. Ich muss sagen, der Mythos "Alexander" geht mir langsam auf den Geist. Von daher bitte keine weiteren unhaltbaren Vergleiche mit Alexander dem Grossen (den ich persönlich übrigens für nicht so "Gross" halte). Man dankt.

                            Gruss, T.
                            An dieser Stelle seien mir ein paar Anmerkungen gestattet:

                            In der Betrachtung Napoleon - Indien ist nur zielführend, was Napoleon von der Idee hielt. Ob du es als Schnapsidee, als unausgereift oder abstrus empfindest, ist - mit Verlaub - völlig irrelevant.
                            Reine Kaffeesatzleserei und damit entbehrlich sind deine Ausführungen zu den Schwierigkeiten, die ein Zug nach Indien hätte bringen können.

                            Dass Napoleon die Idee Indien verfolgte, gab er noch 1817 in die Feder Gourgauds:

                            „Als ich in Ägypten war, … Ich hätte eine Kerntruppe von 60000 bis 70000 Mann haben können. In der Wüste hätte ich Tagemärsche von 10 Lieues gemacht, und zwar in drei Kolonnen, die sich staffelförmig folgten, damit sie in den Brunnen genug Wasser fänden. Kamele hätte ich so viel haben können, wie ich brauchte. Meine Kranken, die Munitionsvorräte wären auf diesen Tieren befördert worden. Fahrzeuge hätte ich nur für die Geschütze benutzt. Vor dem Betreten bewohnter Gegenden hätte ich die ganze Streitmacht erst gesammelt. Auf diese Weise wäre ich an den Indus gelangt und hätte die Macht der Engländer zerstört. Es sind ungefähr 1000 Lieues. Ich hätte eine große Rast am Euphrat gemacht, an anderen Orten je nach den Umständen. Ich hätte an Stationen so viel Reis, Mehl Kaffee auf Kamelen mitgenommen, dass jeder Mann täglich ein Pfund empfangen konnte.
                            Gourgaud: Wir haben von Paris nach Moskau auch 800 Lieues gemacht!
                            Napoleon: Nun ja, und das war ein Spaziergang für mich! Was wollen Sie mit Ihrer Bemerkung sagen?
                            Gourgaud: Sire, die Engländer haben 160000 Mann in Indien!
                            Napoleon: Ich hätte mich sofort mit den Mahratten verbündet, die eine ausgezeichnete Reiterei gestellt haben würden. Übrigens sind die Siphoys Hindus, und die Engländer hatten große Furcht vor meiner Unternehmung. Deshalb haben hatten sie zuletzt Alexandriens bemächtigt. Aber wir werden später sehen, wie es ihnen mit den Russen geht! Diese haben keinen weiten Weg nach Indien; sie sind schon in Persien. Rußland ist die Macht, die mit der größten Sicherheit und mit den größten Schritten der Weltherrschaft entgegengeht.“ 15. Mai 1817 [1]

                            Du siehst, Napoleon hatte sogar konkrete Vorstellungen. (Erstaunlich auch, dass er 1817 einen Zug Rußlands nach Indien für möglich hielt!) Man kann seine Idee aus heutiger Sicht als fantastisch empfinden, aber das ist - richtig - irrelevant.

                            Was deine Sicht zu Alexander angeht, so sei sie dir unbenommen. Aber auch hier gilt, entscheidend ist nur, auf wessen Spuren Napoleon selbst zu wandeln gedachte.

                            Grüße
                            excideuil

                            1] (Gourgaud): „Napoleon – Erinnerungen und Gedanken – St. Helena 1815 -1818“, bearbeitet von Heinrich Conrad, Wilhelm Goldmann Verlag, München, 1961, Seiten 36-37

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                            • Tellensohn
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                              Chef de Bataillon
                              • 16.02.2011
                              • 1253

                              #15
                              Zitat von excideuil Beitrag anzeigen
                              In der Betrachtung Napoleon - Indien ist nur zielführend, was Napoleon von der Idee hielt. Ob du es als Schnapsidee, als unausgereift oder abstrus empfindest, ist - mit Verlaub - völlig irrelevant.
                              Reine Kaffeesatzleserei und damit entbehrlich sind deine Ausführungen zu den Schwierigkeiten, die ein Zug nach Indien hätte bringen können.
                              Na schön, die ursprüngliche Frage war, ob Napoleon nach Indien marschieren wollte. Die Antwort ist ja. Und meine Meinung dazu ist völlig irrelevant. Genauso wie Napoleons hirnrissige Pläne für einen Indienfeldzug völlig irrelevant geblieben sind. Man muss sich ja nicht zu jeder sich anbietenden "what if"-Spinnerei hinreissen lassen. Mein Fehler.

                              Gruss, T.
                              Zuletzt geändert von Tellensohn; 02.06.2011, 14:34.

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