Napoleon, ein Aggressor?

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  • derHerzog
    Neuer Benutzer
    Soldat
    • 01.02.2012
    • 26

    Napoleon, ein Aggressor?

    Hallo erst mal an das Forum,
    vielen Dank an die Administration, die mich freigeschaltet hat. Jetzt kann ich die Frage zur Erörterung stellen, die mich gerade beschäftigt:

    Im Bewusstsein der meisten Deutschen ist Napoleon ein Eroberer. Das kann nicht in Abrede gestellt werden. Gleichzeitig scheinen ihn aber auch viele für einen Aggressor zu halten, also denjenigen, der die dann von ihm eroberten Gebiete angegriffen hat.

    Die Revolutionskriege hat Napoleon nicht begonnen. Die Kriegserklärung gegen die erste Koalition wurde noch von Ludwig XVI ausgesprochen im Namen der Revolutionsregierung. Die folgenden Kriege sind nach meinen Informationen geführt worden, weil sich die geschlagenen Gegner nicht mit den Ergebnissen abfinden konnten und deshalb weitermachten.

    Inwieweit teilt das Forum hier diese Einschätzung?
    Entspricht diese Einschätzung den historischen Tatsachen?
  • KDF10
    Erfahrener Benutzer
    Chef de Bataillon
    • 19.12.2010
    • 1278

    #2
    Napoleon ist in Ägypten einmarschiert. Kann man sich darüber streiten, er war ja noch nicht Erster Konsul bzw. Kaiser. Er hat gegen Spanien Krieg geführt und er hat Russland angegriffen. Reicht das für einen Agressor? Ich meine ja. Er war aber nicht der einzige Agressor. England hat das neutrale Dänemark angegriffen, das dänische Helgoland besetzt. Den Seekrieg ausgeweitet, die holländischen Kolonien besetzt, die französischen Kolonien angegriffen, usw.

    Gruß

    Dieter
    Zuletzt geändert von KDF10; 04.02.2012, 17:49.

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    • Marie
      Erfahrener Benutzer
      Sergent-Major
      • 27.04.2011
      • 196

      #3
      Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
      Im Bewusstsein der meisten Deutschen ist Napoleon ein Eroberer. Das kann nicht in Abrede gestellt werden. Gleichzeitig scheinen ihn aber auch viele für einen Aggressor zu halten, also denjenigen, der die dann von ihm eroberten Gebiete angegriffen hat.
      Die Erfahrung mache ich auch immer wieder, wenn ich mein Interesse an N. erwähne.
      Zitat von derHerzog Beitrag anzeigen
      Die Revolutionskriege hat Napoleon nicht begonnen. Die Kriegserklärung gegen die erste Koalition wurde noch von Ludwig XVI ausgesprochen im Namen der Revolutionsregierung. Die folgenden Kriege sind nach meinen Informationen geführt worden, weil sich die geschlagenen Gegner nicht mit den Ergebnissen abfinden konnten und deshalb weitermachten.
      Genau das sind die Gründe, die ich dann Anführe, um dem zu widersprechen. Ich hatte darüber vor einigen Wochen ein sehr langes Gespräch mit zwei Onkels meines Mannes, die viel über N. wussten, ihn aber auch nur als Aggressor kennengelernt hatten. In den Gymnasien ihrer Zeit wurde das so dargestellt. Sie hätten beide schwören können, dass N. die Revolutionskriege angefangen und voran getrieben hat. Als ich ihnen dann sagte, dass N. zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt war irgend etwas oder irgendwen angreifen zu können, war das Erstauenen groß. Noch größer wurde es, als ich erwähnte, dass die späteren Kriege aus den o.g. Gründen geführt wurden und nicht aus reiner Machtgier seitens N..
      Natürlich stimmen auch die von Dieter aufgeführten Fakten. Man kann nicht pauschal sagen, dass N. sich ja immer nur verteidigt habe - aber eben auch nicht, dass er der Agressor war, als den ihn die deutsche Geschichte hinstellt. Meiner bisherigen Einschätzung nach ist das vor Allem auf 2 Gründe zurück zu führen:
      1. Der ständige Kampf mit Frankreich in der nachnapoleonischen Zeit führte generell zu einer negativen Darstellung
      2. Hitler (Ohne damit eine neue Diskussion entfachen zu wollen, dazu wurde bereits alles gesagt). Im Nachkriegsdeutschland ist es undenkbar, einen Mann nicht als Aggressor darzustellen, der ähnlich wie Hitler mit ganz Europa im Krieg lag, historische Fakten sind da egal.
      So, das war jetzt lang und ist auch nur meine persönliche Sicht der Dinge ohne einen Anspruch auf objektive Wahrheit
      Zuletzt geändert von Marie; 06.02.2012, 11:33.
      Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

      Kommentar

      • HKDW
        Erfahrener Benutzer
        Colonel
        • 02.10.2006
        • 2962

        #4
        Für mich hat er sich zu einen Aggressoren entwickelt - ein Mann des Friedens war er naturgegeben als General auch nicht.
        er hatte ja eine Armee - mit der er dachte - alle Probleme lösen zu können, aber damit war er ja kein Einzelfall.

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        • KDF10
          Erfahrener Benutzer
          Chef de Bataillon
          • 19.12.2010
          • 1278

          #5
          Zitat von HKDW Beitrag anzeigen
          Für mich hat er sich zu einen Aggressoren entwickelt - ein Mann des Friedens war er naturgegeben als General auch nicht.
          er hatte ja eine Armee - mit der er dachte - alle Probleme lösen zu können, aber damit war er ja kein Einzelfall.
          D´accord. Ab wann hat er sich deiner Meinung nach zu einem Agressor entwickelt? Für mich 1805, denn die geplante Invasion Englands war zweiffelos eine Agression, wenn auch nur eine geplante.

          Kommentar

          • KDF10
            Erfahrener Benutzer
            Chef de Bataillon
            • 19.12.2010
            • 1278

            #6
            Zitat von Marie Beitrag anzeigen
            1. Der ständige Kampf mit Frankreich in der nachnapoleonischen Zeit führte generell zu einer negativen Darstellung
            2. Hitler (Ohne damit eine neue Diskussion entfachen zu wollen, dazu wurde bereits alles gesagt). Im Nachkriegsdeutschland ist es undenkbar, einen Mann nicht als Aggressor darzustellen, der ähnlich wie Hitler mit ganz Europa im Krieg lag, historische Fakten sind da egal.
            Ich sehe das anders. Mir ist nicht bekannt, dass es eine negative Aussage Hitlers zu Napoleon I. gibt. Sollte ich mich irren, lasse ich mich gern eines besseren belehren. Aussagen von ihm zu Frankreich allgemein gibt es dagegen reichlich. Die negative Darstellung Frankreichs sehe ich allerdings auch. Nur richtet sie sich gegen Napoleon I.? Doch wohl eher gegen Frankreich, Reparationsforderungen, Dolchstoßlegende, die Schmach von Versailles, usw. Das hat aber weder etwas mit Napoleon I. noch mit Napoleon III. zu tun.

            Kommentar

            • Gunter
              Erfahrener Benutzer
              Chef de Bataillon
              • 01.10.2006
              • 1377

              #7
              Was hat denn die Dolchstoßlegende mit Frankreich zu tun? Hitler fand Napoleon eigentlich recht cool, er hat schließlich den Leichnam seines Sohnes nach Frankreich bringen lassen.

              Grüße

              Gunter

              Kommentar

              • Marie
                Erfahrener Benutzer
                Sergent-Major
                • 27.04.2011
                • 196

                #8
                Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                Ich sehe das anders. Mir ist nicht bekannt, dass es eine negative Aussage Hitlers zu Napoleon I. gibt. Sollte ich mich irren, lasse ich mich gern eines besseren belehren. Aussagen von ihm zu Frankreich allgemein gibt es dagegen reichlich..
                Nein, nein, so meinte ich das nicht. Ich meinte, dass man im Nachkriegsdeutschland N. nicht gut finden konnte, weil es da die vielen Parallelen zu Hitler gab (Polen, Rußland, Krieg in ganz Europa) - und man aus diesen Gründen N. außschließlich als Aggressor hinstellen konnte, denn niemand will sagenm, dass Hitler gut war.
                Das Hat mein Schwiegervater + Brüder so in der Schule gelernt und wie man hier im Forum schon lesen konnte, wird das heute teilweise im Unterricht ja immer noch so gemacht.
                Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                Die negative Darstellung Frankreichs sehe ich allerdings auch. Nur richtet sie sich gegen Napoleon I.? Doch wohl eher gegen Frankreich, Reparationsforderungen, Dolchstoßlegende, die Schmach von Versailles, usw. Das hat aber weder etwas mit Napoleon I. noch mit Napoleon III. zu tun..
                Genau. Aber du darfst nicht vergessen, dass Napoleon I. und III. in den Köpfen vieler Menschen eine Person sind (Napoleon halt) und die Namen eben mit diesen Ereignissen verbunden sind.
                Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

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                • Marie
                  Erfahrener Benutzer
                  Sergent-Major
                  • 27.04.2011
                  • 196

                  #9
                  Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                  D´accord. Ab wann hat er sich deiner Meinung nach zu einem Agressor entwickelt? Für mich 1805, denn die geplante Invasion Englands war zweiffelos eine Agression, wenn auch nur eine geplante.
                  Für mich beginnt es etwas später, nämlich 1807 mit dem Plan zur Eroberung Portugals und dem darauf folgenden Krieg in Spanien.
                  England ist (für mich persönlich) etwas anderes, da sie sich nie mit der Herrschaft Napoleons abgefunen hätten und ständig selbst intervenierten.
                  Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

                  Kommentar

                  • HKDW
                    Erfahrener Benutzer
                    Colonel
                    • 02.10.2006
                    • 2962

                    #10
                    Er hat sich zu der Zeit zum Aggressor entwickelt wo er eben glaubte mit seiner Armee alles erreichen zu können, alle anderen Mittel waren dann zweitrangig.
                    Es war ja ein bewährtes System.

                    Kommentar

                    • derHerzog
                      Neuer Benutzer
                      Soldat
                      • 01.02.2012
                      • 26

                      #11
                      Zwischenfazit

                      Vielen Dank für die Beiträge bisher.

                      Mein Eindruck, dass N. in Deutschland überwiegend als Aggressor und als Verursacher der nach ihm benannten Kriege gesehen wird, täuscht wohl nicht.

                      Ich schätze auch, dass das Bild Napoleons in Deutschland durch ein Schablonendenken zustandekommt, wobei die Erfahrungen mit Hitler die Grundlage bilden und dann wird nach Parallelen abgeleitet. (In Russland gescheitert, Europa erobert, hat den Krieg begonnen). Da mag möglicherweise auch das Verlangen, die kriegerischen Untaten des 3. Reiches zu relativieren, eine Rolle spielen.
                      Tatsächlich aber sollte beachtet werden, dass die ersten Koalitionskriege gar nicht von Napoleon begonnen werden konnten, weil er damals eben nur Aufträge oder Befehle ausgeführt hat (Italien, Ägypten)
                      Ein Urteil über die von ihm ausgehenden Aggressionen ist somit erst ab 1799 möglich.


                      Somit sollte man sich bei der Bewertung der Aggressorenrolle Napoleons auf den 3 und 4. Koalitionskrieg, den Krieg auf der iberischen Halbinsel, den Russlandfeldzug und den 5. Koalitionskrieg beschränken.

                      Fragen:
                      Welche dieser Kriege gingen von Napoleon aus?
                      Was waren seine Motive dabei?
                      Hätten diese Kriege vermieden werden können und um welchen Preis?
                      Hat er sich letztendlich zum Aggressor entwickelt oder sich als solcher herausgestellt, d.h. entpuppt?
                      Zuletzt geändert von derHerzog; 07.02.2012, 20:19.

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                      • Borussen_Kanonier
                        Erfahrener Benutzer
                        Sergent
                        • 12.03.2010
                        • 169

                        #12
                        Wie kann man nur auf die Idee kommen, N. sei ein Agressor gewesen ? Nur wegen des 3. und 4. Koalitionskrieges, dem Krieg auf der iberischen Halbinsel, dem Rußlandfeldzug und dem 5. Koalitionskrieg ?

                        Er wollte doch nur das Beste, um nicht zu sagen: "Er liebte sie doch alle".

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                        • KDF10
                          Erfahrener Benutzer
                          Chef de Bataillon
                          • 19.12.2010
                          • 1278

                          #13
                          Zitat von Marie Beitrag anzeigen
                          Für mich beginnt es etwas später, nämlich 1807 mit dem Plan zur Eroberung Portugals und dem darauf folgenden Krieg in Spanien.
                          England ist (für mich persönlich) etwas anderes, da sie sich nie mit der Herrschaft Napoleons abgefunen hätten und ständig selbst intervenierten.
                          Der Meinung war ich ursprünglich auch, bin aber inzwischen der Ansicht, dass das bereits früher angefangen hat. Aus heutiger (völkerrechtlicher) Sicht, war die Verschleppung das Grafen Enghien und seine Hinrichtung 1804 eine Agression. Ein Agressor ist man nicht erst dann, wenn man einen Krieg anfängt. Lassen wir mal England beiseite. 1806 erklärte Napoleon Papst Pius VII. zu seinem Untertanen. Annektierte danach den Kirchenstaat und ließ den Papst verschleppen. Das fällt für mich auch unter die Rubrik Agressor. Schon allein die Tatsache, dass er den Papst zu seinem Untertanen erklärt hat, ist eine Agression.

                          Gruß

                          Dieter

                          Kommentar

                          • Marie
                            Erfahrener Benutzer
                            Sergent-Major
                            • 27.04.2011
                            • 196

                            #14
                            Zitat von KDF10 Beitrag anzeigen
                            Der Meinung war ich ursprünglich auch, bin aber inzwischen der Ansicht, dass das bereits früher angefangen hat. Aus heutiger (völkerrechtlicher) Sicht, war die Verschleppung das Grafen Enghien und seine Hinrichtung 1804 eine Agression. Ein Agressor ist man nicht erst dann, wenn man einen Krieg anfängt. Lassen wir mal England beiseite. 1806 erklärte Napoleon Papst Pius VII. zu seinem Untertanen. Annektierte danach den Kirchenstaat und ließ den Papst verschleppen. Das fällt für mich auch unter die Rubrik Agressor. Schon allein die Tatsache, dass er den Papst zu seinem Untertanen erklärt hat, ist eine Agression.

                            Gruß

                            Dieter
                            Da könntest du tatsächlich Recht haben. Ich gebe zu, dass ich mir mit Napoleon I. schwer tue und ich mich mit der Kaiserzeit bisher auch noch lange nicht so intensiv beschäftig habe wie mit seiner Jugend + Konsulat und dem Ende. Irgendwei umgehen ich die Jahre 1804-1812 immer und setze im Rußlandfelszug wieder an. Da sollte ich mich mal näher mit auseinander setzen. Danke für die Denkanstöße.
                            Die beste Möglichkeit Wort zu halten ist, es nicht zu geben.

                            Kommentar

                            • Mephisto
                              Erfahrener Benutzer
                              Capitaine
                              • 01.10.2006
                              • 625

                              #15
                              Da wird dankenswerterweise der Krieg von 1815 nicht genannt - weil zu offenbar falsch in der Liste.
                              Der 1809er fällt aber klar darunter...denkt man.
                              Wie das wohl die Bayern 1805 und vor allem 1809 gesehen haben mögen?! Egal!
                              Und in 1806 ist damals doch Chamberlain extra noch nach Paris geflogen, um um Frieden zu betteln.
                              Oder war das später???

                              "Fair is foul and foul is fair"

                              Plumpe Ironie und die selbstgefällige Einteilung in Schwarz und Weiß erspart uns dann wohl auch
                              die weitere Erörterung des Themas.
                              Zuletzt geändert von Mephisto; 08.02.2012, 22:25.
                              Gruß
                              Mephisto

                              "Es sind zwey Formeln, in denen sich die sämmtliche Opposition gegen Napoleon befassen und aussprechen lässt,
                              nämlich Afterredung (aus Besserwissenwollen) und Hypochondrie." Goethe 1807 :attention:

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